Digitalität – Virtualität

Donnerstag, 29.09.
09:00–10:30 Uhr

Panel, Seminarzentrum Raum L116
Moderation: Nora Probst
Fabienne Mathis

Bericht über das erste Virtual Reality (VR) Lab im Frühjahr 2022 des Kleintheater Luzern

Während vielerorts das in der Pandemie aufgebaute Online-Programm verwaist, geht ein kleines Theater in Luzern einen radikal anderen Weg. Hier wurde ein kleines Forschungslabor für das Theater der Zukunft eröffnet.

Im Frühjahr 2022 entstanden in einem VR Lab des Kleintheater Luzern in Zusammenarbeit mit dem Immersive Realities Research Lab & der Research Group Visual Narrative der Hochschule Luzern sowie fünf Gruppierungen aus der nationalen freien Theaterszene fünf Skizzen/Kurzproduktionen mit Fokus auf Virtual Reality & 360° Film. Dieses erste VR Lab des Kleintheater Luzern wurde akademisch begleitet, woraus derzeit Erkenntnisse darüber gewonnen werden, wie digitales/hybrides Theaterschaffen konzipiert, gestaltet und umgesetzt werden muss.

Die Kooperation zwischen Tanz- und Theaterschaffenden und Forschung wird ab Herbst 2022 fortgeführt, um eine nachhaltige Auseinandersetzung mit digitalen aber insbesondere hybriden Aufführungsformaten zu ermöglichen und Potentiale der Integration von digitalen und physischen Räumen auszuloten.

Die Forschungsgruppe Visual Narrative setzt sich anwendungsorientiert mit Strategien des Erzählens und des Vermittelns in zeitgenössischen Medien auseinander. Das Immersive Realities Research Lab entwickelt und erprobt neue Arten der Interaktion in AR und VR Umgebungen. Gemeinsam tragen die Forschungspartner dazu bei, dass erste Aufschlüsse bezüglich des performativen Potentials von hyriden theatralen Formen gewonnen werden können. Weitere Infos unter https://www.kleintheater.ch/digitale-buehne#projekte

 

Mathias Spohr

„Dietegen“ auf Social Media

„Dietegen“ nach einer Erzählung von Gottfried Keller wurde als eine Art Schweizer Anti-Festspiel im September 2019 in Zürich aufgeführt. Eine Erzählung Kellers, die im Spätmittelalter spielt, wurde in eine dystopische Zukunft verlegt. Waffen und Kriegshandlungen können im Film überzeugender dargestellt werden als auf dem Theater, daher wurde die Aufführung als multimediale Performance konzipiert, in die scheinbar authentische Filmausschnitte und Fotos mit denselben Darstellern wie auf der Bühne integriert sind.

Dieses audiovisuelle Material wird seit Ende der Vorstellungen auf Instagram als fiktiver Blog der Hauptfigur gepostet. Auf diese Weise konnte eine Art Ersatz für ausgefallene Vorstellungen während der Pandemie geschaffen werden. Die Präsentation lässt das Publikum interagieren, sodass Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft verschwimmen, Dringlichkeit und Zeitlosigkeit des Themas Krieg synonym werden.

Die Gratwanderung zwischen Komik und Ernst, oder zwischen Ästhetik und blanker Not, die bereits in der literarischen Vorlage angelegt ist, schafft Möglichkeiten. Es ergab sich auf Instagram die Gelegenheit, ein viel breiteres Publikum als mit den Theateraufführungen anzusprechen. Uganda, Ruanda, Irak, Iran, Pakistan, Bangladesh und neuerdings die Ukraine sind unter den Abonnenten zahlreich vertreten. Die Zensur auf Instagram schränkt dagegen bei jeder weltpolitischen Krise, vom Sturm auf das Kapitol in Washington bis zum Ukrainekrieg, die öffentliche Sichtbarkeit dieses Accounts stark ein.

Fabienne Mathis, Projektleitung Digitale Bühne Kleintheater Luzern / Doktorandin am Institut für Theaterwissenschaft der Universität Bern, Forschungsschwerpunkte: Produktionsdramaturgien im theatralen Einsatz von Mixed Reality, fabienne.mathis1@students.unibe.ch

Mathias Spohr, Dr., Regisseur und Privatdozent Fachgruppe MusikTheater an der Universität Bayreuth, Forschungsschwerpunkte: Schauspieltechnik, Identität und Vanitas, mspohr@bluewin.ch