Eigen-Sinn(liches) matters

Freitag, 30.09.
09:00–10:30 Uhr

Kuratiertes Panel, Hörsaal 1a

Moderation: die Beteiligten
Diese Veranstaltung wird auch gestreamt:
https://www.cedis.fu-berlin.de/services/medien/av-medien/livestream/gtw_1a

Im Anschluss an Alexander Kluge und Oskar Negt („Geschichte und Eigensinn“, 1981) lässt sich Eigensinn als Symptom, Signal und Ventil, als Reaktion „aus bitterer Not“ auf krisenhafte Konstellationen und gesellschaftliche Dispositive lesen. Während der Begriff u.a. mit Giaco Schiesser eine positive Umdeutung im Sinne kreativen Potenzials erfährt, hebt Alf Lüdtke in seinen Arbeiten zur Alltagskultur u.a. von Fabrikarbeiter*innen die Ambivalenz eigensinniger Phänomene zwischen Produktivität und Dysfunktion hervor.

Dem Eigensinn zugesprochene Formen des körperlichen Agierens und Sich-Veräußerns im Sinne eines selbstermächtigenden, resilienten Handelns stehen dabei in einem dialektischen Verhältnis zu disziplinierenden und normierenden Umgangsformen. Diese Konstellationen sind als relationale und mediale Settings zu begreifen – samt deren (theatralen) Inszenierungsnotwendigkeiten und ihren jeweiligen strukturellen Bedingtheiten. Der gemeinsame Beitrag will einige der vielfältigen Kontexte, Topoi und Figuren vorstellen, die gegenwärtige Schauplätze des Eigensinns eröffnen.

Jamila Arenz untersucht die (Un-)Möglichkeit eigensinniger (leiblicher) Verhaltens- und Bedeutungsweisen im Spektrum zwischen Normierungen, Reglementierungen, Funktionalisierungen und Transformationspotenzialen innerhalb von (Theater-)Institutionen entlang eines hier sowohl strukturell als auch ästhetisch (re)produzierten Ideals des resilienten Subjekts. Veronika Darian beschäftigt sich mit Gestikulationen, ungebärdigem Verhalten, aus- und auffälligen Körper-Äußerungen. Als eigensinnige leiblich-theatrale Phänomene quasi ‚ohne Sinn und Verstand‘ verweisen sie immer auch auf ihr Anderes: das systemisch, ideologisch, rational und funktional Vorgegebene, das dadurch fragmentiert, disloziert, dysfunktionalisiert wird. Im Spiel mit ontologischen Zurichtungen und theatralen Dispositiven eröffnen sich in zeitgenössischen dingtheatralen Formen (un)vermittelte Erfahrungsräume eigensinn|licher Wahrnehmung. Ausgehend von Spielpraktiken zwischen Subjektivierung und Verdinglichung nähert sich Jessica Hölzl eigensinnigen Akteur*innen und Phänomenen assoziativ wuchernder Sinnproduktion. Mit Montagepraktiken von gespaltener Kohärenz, einer Zusammenhangsform, die aus Unterbrechungen hervorgeht, stellt Jana Seehusen Eigensinn als Denkfigur künstlerischen Forschens in essayistischen und inszenatorischen filmischen Formaten zur Diskussion.

Jamila Arenz, M.A., wissenschaftl. Hilfskraft am Institut für Theaterwissenschaft der Universität Leipzig, Forschungsschwerpunkte: theaterbezogene historische Anthropologie, (theatrale) Subjektkonstituierung, Repräsentations- und Ausschlussmechanismen in (Theater-)Institutionen, jamila.arenz@uni-leipzig.de
 
Veronika Darian, Dr., Juniorprofessorin für Gegenwartstheater in historischer Perspektive mit den Schwerpunkten Transmedialität und Transkulturalität am Institut für Theaterwissenschaft der Universität Leipzig, Arbeitsschwerpunkte: Fremdheitsforschung, theaterwissenschaftlicher Alter(n)s- und Dingforschung, Biografie und Narration in Theater, Tanz und Performance, Theater in Gesellschaft(en) in Transformation, „Schauplätze des Eigensinns“, darian@uni-leipzig.de
 
Jessica Hölzl, M.A., wissenschaftl. Hilfskraft am Institut für Theaterwissenschaft der Universität Leipzig, Forschungsschwerpunkte: zeitgenössisches dingtheatrales Spiel sowie Puppen- und Figurentheater, Spielweisen und Praktiken von Ähnlichkeit und Assoziation, subversive Erzähl- und (Re)Präsentationslogiken, jessica.hoelzl@uni-leipzig.de
 
Jana Seehusen, Künstlerin, Autorin und Doktorandin an der Hochschule für Bildende Künste Hamburg, Forschungsschwerpunkte: Sprach- und Handlungsweisen des Zwischen, des Dritten und der Verschiebung sowie kulturkritische Fragestellungen von Un\Sichtbarkeit, Identitätspolitiken und Experimenteller Filmkunst, jana@janaseehusen.com