Inklusion/Exklusion

Donnerstag, 29.09.
09:00–10:30 Uhr

Panel, Seminarzentrum Raum L115
Moderation: Beate Hochholdinger-Reiterer

Christina Kockerd

Dimensionen eines theaterwissenschaftlichen Blicks auf Inklusion im Gegenwartstheater

Wer hat (welchen) Zugang zum Gestalten und zum Erleben von Theateraufführungen und Kulturereignissen? Wie werden unterschiedliche Voraussetzungen und Bedarfe auf der Bühne repräsentiert? Welche Rolle nehmen unterschiedliche ästhetische Ausdrücke im Diskurs von Kultur und Kultureller (Aus-)Bildung ein? Durch die Corona-Pandemie wurden Fragen von kultureller Teilhabe und Teilgabe für alle Menschen, die bereits die im Jahr 2009 in Deutschland in Kraft getretene UN-Behindertenrechtskonvention fordert, mit neuer und veränderter Dringlichkeit gestellt. Hierbei beinhaltet die Auseinandersetzung mit Inklusion im Theater eine organisatorische, eine institutionelle und eine ästhetische Dimension, die sowohl durch Theaterereignisse in Präsenz als auch im digitalen Raum herausgefordert werden.

Die Wichtigkeit dieser drei Dimensionen von Inklusion lässt sich gegenwärtig exemplarisch an der Einladung der Produktion „Scores that shaped our friendship“ zum Berliner Theatertreffen, an der Neuausrichtung der Münchner Kammerspiele als Stadttheater unter der Intendanz von Barbara Mundel sowie anhand unterschiedlicher inklusiver Kulturfestivals verdeutlichen.

Anhand der Produktionen Vox ex nihilo der InterAKT Initiative und Luegen (Regie: Verena Regensburger) an den Münchner Kammerspielen wird in dem Beitrag dargestellt, welche Potentiale ein spezifischer theaterwissenschaftlicher Blick auf Inklusion entfalten kann. Dieser nimmt die organisatorische, die institutionelle und die ästhetische Dimension von Inklusion in den Blick. Der Beitrag soll zeigen, dass insbesondere ein Fokus auf die ästhetische Dimension von Inklusion eine Analyse im Sinne der Anerkennung einer Vielfalt künstlerischer Ausdrücke einschließt. Er argumentiert zugleich, dass der theaterwissenschaftliche Blick auf Inklusion in die Praxis zurückwirken und so aus geisteswissenschaftlicher Perspektive einen Beitrag zu einer inklusiveren Gesellschaft leisten kann.

 

Oliver Maaßberg

Diskriminierungspotenziale der Probe im institutionellen Repräsentationstheater am Beispiel des Düsseldorfer Rassismusskandals 2021

Der angestrebte Forums- oder Panelbeitrag soll sich der Probe als Zeit und Ort der Arbeit widmen, der Anfälligkeitspotenziale für Diskriminierung und toxische Arbeitsverhältnisse aufweist. Die Theaterprobe als Arbeitsrahmen schwingt zwischen verschiedenen gegensätzlichen Polen, zwischen professioneller und privater Interaktion, Arbeitsrealität und Fiktion, Rollenkörper und Darsteller:innen-Leib. Am Beispiel des Theaterskandals um rassistische Äußerungen im Probenprozess zur Inszenierung Dantons Tod in der Regie von Armin Petras am Düsseldorfer Schauspielhaus im April 2021 sollen Problempotenziale der kollektiven Probenarbeit diskutiert werden. Ursprünge diskriminierender Aspekte können im diskursiven Spannungsfeld zwischen Arbeitsregeln und ästhetischer Grenzüberschreitung im Sinne künstlerischer Produktivität verortet werden.

Als Material zur Bearbeitung der Fragestellung stehen mediale Äußerungen von Beteiligten und Unbeteiligten zum Vorfall im Zentrum. Zentral sollen Diskriminierungspotenziale des hieraus zu extrahierenden Probendiskurses stehen. Somit sollen Aspekte der Probe, die Sensibilisierungsbedarf besitzen, bestimmt werden und aktuelle Aufarbeitungs- und Reformversuche dargestellt und diskutiert werden.

Letztlich sollen mithilfe eines Interviews mit einer befreundeten Person aus der Theaterpraxis, welche bei dem angesprochenen Vorfall in Düsseldorf präsent war, der Probenalltag und der angesprochene Zwischenfall beleuchtet werden. Weitere Interviews werden angestrebt.

Inhaltliche Fragen: Welche zentralen Aspekte definierten die Proben zu Dantons Tod? Welche Hierarchieformen bestanden? Welche Rolle spielt der Repräsentationsmodus bei der Konfliktentstehung? In welchem Verhältnis stehende diskriminierende Arbeitsverhältnisse und künstlerische Produktivität?

Methodologische Fragen: Welche Fragen sind an Zeitzeug:innen und die Erstellung von Fragebögen zu richten, um persönliche Haltungen zur Probe, zu anderen Beteiligten und zu Themen des Rassismusvorwurfs oder der cancel culture zu identifizieren und zu reflektieren? Wie sind Befragungen persönlicher Kontakte in der Theaterpraxis von Seiten der Wissenschaft zu gestalten und auszuwerten? Wie sind mediale Äußerungen der Beteiligten und Unbeteiligten als Konzepte des Probens auszuwerten und produktiv auf die Betrachtung des vorliegenden Skandals hinzuwenden?

Christina Kockerd, Fachreferentin Kulturelle Bildung beim KUBI-S Netzwerk Kulturelle Bildung Stuttgart, Doktorandin am Institut für Theaterwissenschaft der LMU München, Forschungsschwerpunkte: Inklusion im Gegenwartstheater, Kulturelle Teilhabe, christina.kockerd@campus.lmu.de 

Oliver Maaßberg, wissenschaftl. Mitarbeiter/Praedoc Professur für Theaterwissenschaft der Universität Bayreuth, Forschungsschwerpunkte: Film als Aufführung, Performance-Theorie, oliver.maassberg@uni-bayreuth.de