Die ortsverteilte und interdisziplinär aufgestellte Forschungsgruppe „Krisengefüge der Künste“ beschäftigt sich mit den institutionellen Transformationsdynamiken der darstellenden Künste der Gegenwart. Dabei wird der Begriff der Krise als Zusammenfassung von endogenen und exogenen Faktoren verstanden, die institutionelle Veränderungen im Theatersystem auslösen. Zugrunde liegt die These, dass Krisendiskurse eine aktivierende und transformierende und nicht nur eine destabilisierende Wirkung haben.
Das in diesem Panel vorgestellte Forschungsprojekt untersucht seit 2018 den Wandel in den Programmen der öffentlich getragenen Theater in Deutschland seit den 2000er Jahren. Dort lassen sich in den letzten zwei Dekaden neue bzw. vermehrt auftretende Formen beobachten, welche unter den verschiedensten Bezeichnungen aufgeführt werden, häufig mit einem Fokus auf partizipativen Angeboten. Darüber hinaus hat sich die Spielplangestaltung deutschlandweit signifikant diversifiziert und differenziert. Die Theater positionieren sich in ihren neu entwickelten Formen und Formaten als öffentliche Orte, an welchen zunehmend sozialer Austausch, Begegnungen und auch Hilfeleistungen in den Fokus rücken. Die Anzahl dieser Veranstaltungsformen ist nicht nur gestiegen, diese Formen spiegeln Transformationsdynamiken wider und befördern gleichzeitig heterogene Veränderungsprozesse. Daraus ergeben sich unter anderem folgende Fragen: Wie lässt sich die Vielzahl dieser Formen strukturieren? Warum bauen die Theater insbesondere ihre partizipativen Angebote aus?
Darüber hinaus stellte und stellt die Corona-Pandemie die Theater seit 2020 vor neue Herausforderungen, nicht zuletzt auch in der Spielplangestaltung. Das pandemiebedingte Proben- und Aufführungsverbot bringt nicht nur zahlreiche neue Formate, digitale Präsentationsformen und virtuelle Spielorte hervor; die öffentlich getragenen Theater stellen mit ihren digitalen Produktionen das Diktum der physischen Kopräsenz als grundlegender Bedingung von Theater infrage.
Das Panel stellt die bisherigen Ergebnisse des Forschungsprojekts hinsichtlich der Entwicklungen partizipativer, diskursiver, digitaler und anderer Formen und Formate im Programmangebot der öffentlich getragenen Theater in Deutschland vor und wird dabei die inhärenten Legitimationsstrategien der Häuser vor und während der Corona-Pandemie herausarbeiten. Anschließend an die Vorstellung der bisherigen Forschungsarbeiten diskutiert das Panel gerade auch grundsätzlichere Fragestellungen hinsichtlich der Kategorie des Wandels öffentlich getragener Theater in Deutschland und möchte insbesondere in der Diskussion der Frage nachgehen, welchen Einfluss die gegenwärtigen Transformationsprozesse auf Theater als Institution und damit nicht zuletzt auch auf die Theaterwissenschaft selbst, ihr Selbstverständnis und ihre konzeptionelle und methodische Ausrichtung haben.
Angelika Endres, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Theaterwissenschaft der LMU München, Forschungsschwerpunkte: Theater als Institution, Digitalität und Liveness, Ästhetik und Legitimation, angelika.endres@lmu.de
Alessa Maria Karešin, studentische Hilfskraft am Institut für Theaterwissenschaft der LMU München, Arbeitsschwerpunkte: Ästhetik und Kunstphilosophie, Theater und Gesellschaft, Alessa.Karesin@campus.lmu.de
Dr. Bianca Michaels, Geschäftsführerin Department Kunstwissenschaften der LMU München, Forschungs- und Arbeitsschwerpunkte: Theater als Institution, Kulturpolitik, Medialität, Liveness, partizipative Theaterformen, Theatermanagement, michaels@lmu.de
Lukas Stempel, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Theaterwissenschaft der LMU München, Forschungsschwerpunkte: Theater als Institution, Partizipative Theaterformen, Publikumsforschung, Lukas.Stempel@lmu.de